Lehrgang in Hasselt / Belgien
Bericht vom 2. Kase-Gedenklehrgang mit Sensei Jim Martin, 6. Dan, Sensei Pascal Lecourt, 5. Dan, Sensei Mario Van Roy, 5. Dan und Sensei Laurence Veys, 4. Dan in Hasselt am 13. und 14. Mai 2006
Von Jean E. Teuffen
Um 13:30 Uhr trafen sich neun Menschen mit leichtem Gepäck auf einem Müllheimer Parkplatz: Sensei Pasquale Petrella mit Frau Jasmin und Sohn Christopher, Sebastien Miehe, Markus Strub alias Pflümli, Annemarie Cerar, Matthias Hoffmann, Jean E. Teuffen alias Wanja und Franziska Engler. In einem Mercedes-Benz 212 D fuhren sie schnurstracks nach Gallenweiler, wo sich zeitgleich eine zweite Gruppe von acht Leuten um einen VW Caravelle TDI versammelt hatte: Sensei Mario Sammarco mit Frau Ellen und Schwiegermama Hilde Grosely, Sensei Rüdiger Kunst, Thomas und Petra Gilgin, Sandra Wangler und Christine Schneider. Gemeinsam ging's nun auf der Autobahn in dichtem Verkehr Richtung Norden bis nach Belgiens nordöstlicher Provinz Limburg. Dort ein kurzer Stop in Genk, wo Mutter Hilde und Ellen ausstiegen. Für die anderen fünfzehn ging's sogleich weiter zum eigentlichen Zielort in unmittelbarer Nachbarschaft, in die Provinzhauptstadt Hasselt.
In einem Gewerbe- und Wohngebiet, Herckenrodebosstraat 40, wurden wir bereits im Honbu Dojo Limburg erwartet und sehr herzlich in Empfang genommen! Flugs ablegen, Nachtlager einrichten und ab ging's in die Stadtmitte, dort in die Demerstraat, wo wir - noch bekannt vom letzten Jahr - das Pita Shorama Jeruzalem aufsuchten, uns in Geduld übend - wie im letzten Jahr - an langer Tafel warten durften und schließlich - auch dies wie letztes Jahr - unsere Grill- und andere Speisen in acht unterschiedliche Soßennäpfe tunkten, um sie unverzüglich in den ausgehungerten Schlünden zu versenken. Zurück im Honbu Dojo sanken wir - teils sogleich, teils nach gemütlich-geselligem Umtrunk in der dojoeigenen Küchenbar - in unseren Schlafsäcken in mehr oder weniger erquicklichen Mattenlagerschlaf.
Nach kurzem Vorabkaffee im Dojo suchten - ebenfalls wie im letzten Jahr - Sensei Rüdiger Kunst, Christine und Jean zum Frühstück den nahe gelegenen Lunch Garden auf; auch Familie Petrella fand sich wenig später ein. Andere versorgten sich im Carrefour oder zehrten von Mamas leckerem Reiseproviant. Jedenfalls und Hauptsache standen die insgesamt dreizehn Müllheimer Karatekas gegen 11:00 Uhr in Hasselts Vildersstraat in der großen Sporthal KTA1. Der bevorstehende Lehrgang, geleitet von KSK-Shiankai-Instruktoren, würde der zweite sein, der ausdrücklich dem Gedenken Sensei Taiji Kases (1929-2004) gewidmet war (KSK steht für Kase Ha Shotokan Ryu Karate-Do; die KSK-Academy, zunächst eine länderübergreifende Vereinigung hochrangiger Kase-Schüler und mittlerweile ein selbständiger internationaler Verband, fühlt sich der Erhaltung, Weiterentwicklung und Verbreitung dieser einzigartig markanten Form des Shotokan Ryu verpflichtet).
Trainiert wurde in drei Gruppen, einer winzigen Unterstufe (9. bis 6. Kyu), einer mittelgroßen Mittelstufe (5. bis 1. Kyu) und einer richtig großen Oberstufe (ab 1. Dan), in der sich, neben unseren drei Senseis Mario Sammarco, 6. Dan, Pasquale Petrella, 5. Dan und Rüdiger Kunst, 3. Dan (sowie unseren Sempais Thomas Gilgin, 2. Dan, Sandra Wangler, 2. Dan, Petra Gilgin, 1. Dan und Sebastien Miehe, 1. Dan) noch so manche hochrangigen Senseis aus europäischen Landen zu tummeln schienen. Leider musste der Gastgeber und ausrichtende Sensei Dirk Heene, 7. Dan seine aktive Teilnahme krankheitsbedingt absagen. Sensei Laurence Veys, 4. Dan sprang kurzfristig ein und leitete die erste Einheit der Unterstufe (laut Franziskas Bekunden sei gerade dieses Training "ganz toll gewesen, echt cool halt und so!"). Sensei Jim Martin, 6. Dan aus Schottland nahm sich der Mittelstufe an, machte keinesfalls allzu viel erläuternde Worte und entführte die "Kandidaten" stattdessen mit klaren und mitunter blitzschnellen Demonstrationen in die verwirrenden Höhen faszinierender Block-Konter-Kombinationen mit zahlreichen Stellungswechseln, angereichert mit Rechts- und Linksdrehungen unterschiedlicher Winkelgrößen, so dass niemals Langeweile oder gar Stumpfsinn eine Chance hatten (ehrlich und garantiert nicht nur Jean kann das bestätigen!). Und auch jene graue Substanz, von der viele recht gerne hoffen oder sowieso annehmen, dass reichlich davon vorhanden sei in unseren Köpfen, wurde in einzigartiger Weise gefordert und gelegentlich, bleiben wir so ehrlich wie bescheiden, auch überfordert - jedenfalls angeregt. Die Oberstufe übte währenddessen unter einer bestechend präzisen, kraftvollen und gleichwohl ausgesprochen ruhigen Anleitung Sensei Pascal Lecourts, 5. Dan die hohe Meisterkata Gojushiho-Sho und erste Anwendungen (Katabunkai) ein.
Nach kurzer Pause die zweite Einheit: die Unterstufe bei Sensei Mario Van Roy, 5. Dan, die Mittelstufe übte mit Sensei Pascal Lecourt die Senteikata Jion mit einigen Anwendungsbeispielen. Diese erschienen uns vom Sensei in genau solcher Weise angelegt worden zu sein, dass sie den jeweiligen Koordinationsvermögen von Blau- Violett- und auch Braungurtträgern das Maximum des Möglichen abverlangte (in welchem Ausmaß das Anforderungsprofil auch den meisten der Braungurtträger gehörig Mühe zu bereiten schien, dies allerdings verwunderte den Sensei ein klein wenig). Alles wurde diskret, leise, eloquent, doch mit großer Bestimmtheit dargelegt und - oft in einem synchron zu Vortrag ablaufenden Handlungsstrang - durch die elegant-wuchtige Präzision der Demonstrationen eindringlich in den Raum hinein vermittelt. Die Schwarzgurte hatten es bei Sensei Jim Martin derweil mit ähnlichen Technikkombinationen wie zuvor die Mittelstufler zu tun - etwas zackiger vielleicht, komplexer auch darf angenommen werden, denn aus welchem Grunde sollten sie, die so zahlreich angereisten Sempeis und Senseis, sich langweilen müssen, womöglich gar frieren? Einen solchen Grund gab es nicht und auch nährender Boden wurde ihm zu keinem einzigen Zeitpunkt bereitet, nein!
Nach der Mittagspause ging es um 16:00 für alle drei Gruppen in die dritte und letzte Trainingseinheit des Samstags. Die Unterstufe wurde wieder, nun von Sensei Jim Martin, in Übungen aus dem Bereich der Katagruppe Heian unterwiesen, die Mittelstufe trainierte bei Sensei Mario Van Roy grundschulartige Vorübungen zu Jion, schließlich Jion selbst sowie erste Anwendungsbeispiele und die Schwarzgurte widmeten sich in direkter Fortsetzung bei Sensei Pascal Lecourt der Gojushiho-Sho mit weiteren Anwendungen und Anwendungsvarianten. Für diesen Tag war's gut und genug; frisch geduscht ein wenig müde, teilweise mit bedächtig anmutenden Gangbewegungen ging's für die Müllheimer erst mal zurück zum Honbu Dojo.
Zwischenzeitlich hatte sich herumgesprochen, dass die "Mercedes-Teilgruppe" am morgigen Sonntag erst Stunden später als geplant würde zurückfahren können, weil bei der Danprüfung Sensei Pasquale Petrella als prüfendes Mitglied des KSK-Shiankai zugegen sein musste. Gleichzeitig waren im VW Caravelle einige Plätze frei geworden, für die sich nach Bekannt werden sogleich mehrere Kandidaten meldeten - dummerweise fehlte dann ein Platz für einen Bewerber. Eine Einigung im Sinne eines offenen Austauschens und Abwägens von Argumenten durch erwachsene Menschen scheiterte kurioserweise bereits im Vorfeld. Auch der anschließende Vorschlag unseres Caravelle-Fahrers und Senseis Rüdiger Kunst, das neutrale Los entscheiden zu lassen, wurde zum Teil rigoros abgelehnt, so dass eine ungeklärte Situation im Raum zurückblieb, was spürbar auf die bis dahin recht passable Stimmung drückte.
Auch eine etwas unschlüssig Entscheidungsfindung bezüglich der gemeinsamen oder nicht ganz gemeinsamen abendlichen Aktivitäten fand zeitgleich ihre Fortsetzung. Schließlich brach ein Teil gemeinschaftlich mit Sensei Mario Sammarco nach Genk auf, um sich dort mit alten Kumpels aus unseres Senseis belgischen Jugendtagen in einem Restaurant zu lecker-geselliger Abendrunde zu versammeln. Den anderen Teil zog es mehr gen Hasselts Altstadt, auch um lecker zu essen, doch ansonsten ohne festen Plan, einfach so, um zu stromern, zu schauen, sich den Eingebungen des Augenblicks zu überlassen. Diese lose Gruppe teilte sich erneut, die einen, Sebastien, Matthias und auch Pflümli, entdeckten in einer der Altstadtgassen einen Dönerladen mit super Portionen zu fairen Preisen, die anderen, Sensei Rüdiger Kunst, Christine und Jean ließen sich nach diversen Stationen - immer "passte" es irgendwie nicht - im Ristorante La Sardegna am Botermarkt nieder; dort war's gemütlich, ruhig und es schmeckte! Für den späten Abend hatten sich die sechs im strahlerbeheizten Straßencafe Drugstore, an und mit Ausblick auf Hasselts Grote Markt verabredet. Jedem war es offenbar geglückt, individuelle Bedürfnisse zu erkunden und ihnen erfolgreich nachzuspüren. So waren wir denn gemeinsam zufrieden und genossen belgische Waffeln, manche gerne mit Puderzucker, andere lieber mit Vanilleeis oder Erdbeeren. Noch ein wenig umhergeschlendert, den Blick dahin geworfen, den Männerhals auch mal dorthin verdreht, kehrten wir ins Honbu Dojo "heim", wo auch die anderen gemeinsam und gesättigt eintrudelten, um schlafenderweise die zweite Nacht in Angriff zu nehmen.
Kaffee und ein leichtes Frühstück nahmen wir in der Dojowohnküchenbar zu uns. Da eine Einigung zwischen den Anwärtern auf jenen "frühen Sitzplatz" für die Rückfahrt sich als gänzlich unmöglich erwiesen hatte, favorisierte nun auch Sensei Pasquale Petrella mit Nachdruck eine Klärung mittels Losentscheid. Hier und da stieg Nachdenklichkeit auf, die teilweise anhält, einsickert ins Gesamtbild vom Erlebten, ähnlich dem subtilen Nachgeschmack, der zurückbleibt.
Die interne Eintrübung hinderte uns hingegen keineswegs, uns auf die letzte Karate-Einheit des Kase Memorial zu freuen und um 10:00 Uhr standen alle dreizehn zum vierten Mal in der Halle bereit: Die Unterstufler bei Sensei Mario Van Roy, die Mittelstufen-Karatekas bei Sensei Jim Martin und die Danträger drittmalig bei Sensei Pascal Lecourt. Es wurde angestrebt, die gestern angerissenen, teilweise auch etwas geübten und von den Senseis stets beeindruckend demonstrierten Ausschnitte des so anspruchsvollen und ungemein variationsreichen KSK-Karate zusammenfassend zu einem provisorischen Gesamtbild abzurunden. Danach erschien, bei aller Verunsicherung angesichts der komplexen Fülle des Dargebotenen manchem manches klarer, vieles den meisten zumindest überzeugend (und wenn auch manchmal nur aus einer Ahnung heraus). Völlig unzweifelhaft jedenfalls hatte sich das Seminar als wirkungsmächtiger Ansporn erwiesen, sowohl den gemeinsamen als auch den jeweils sehr persönlichen Weg des Karate fortzusetzen.
Nach mannigfachen Verabschiedungen ging es auf schnellstem Weg zurück ins 600 km südlichere Markgräflerland, heim zu den Kindern, den Eltern, den Freundinnen und Freunden, zu dem, was jedem seine Umgebungen zu der seinen macht.
Oss! Jean.